Eigenständige Meinungen abseits des "Mainstreams" sind sehr rar in unserer Presselandschaft. Nachstehende Kommentare vom Chefredakteur Georg Anastasiadis im
"Münchner Merkur", die wir hier zitieren, verdienen deshalb besondere Aufmerksamkeit.
Jamaika-Koalition gescheitert - Ein Ende mit Schrecken
München, 21. Nov. 2017. So also sieht das Ergebnis aus, wenn die Kanzlerin nach einer Bundestagswahl „alle strategischen Ziele“ für erreicht erklärt: CDU und (vor allem)
CSU am Abgrund; die Rechten in Kompaniestärke im Parlament; die Republik am Rande der Unregierbarkeit; aber Angela Merkel weiter geschäfts-führend im Kanzleramt. Und das könnte noch eine Weile so
bleiben. Jedenfalls solange, wie am Horizont weder andere Regierungsmehrheiten noch neue Kanzlerkandidaten erscheinen.
Das jetzt in Berlin aufgeführte Schwarze-Peter-Spiel ist durchsichtig. Nach dem Scheitern von Jamaika hofft die Union mit wütenden Schuldzuweisungen an die FDP und deren Anführer Christian
Lindner ihre eigenen, gefährlich taumelnden Chefs stabilisieren zu können – vor allem die Kanzlerin, der zum Entsetzen ihrer Gefolgsleute erstmals das Heft des Handelns entglitten ist, und das so
drama-tisch, dass sie, um einem weiteren Verfall ihrer Autorität vorzubeugen, gestern ihre erneute Kandidatur in Aussicht stellen musste. Dabei hatte Lindner sich doch von Anfang an nur eines
vorgenommen: nicht als Umfaller zu enden wie Horst Seehofer in der unendlichen Flüchtlingsgeschichte. Was die jetzt von Seehofer so überschwenglich gelobten staatsgläubigen Grünen wollten, wäre
für die gerade von den Toten auferstandenen Liberalen der direkte Weg zurück ins Grab gewe-sen. Zur De-Industrialisierung Deutschlands dem Klima zuliebe und zur Vergrü-nung der
Zuwanderungspolitik wollte die FDP, die ihren Wählern ganz anderes versprochen hatte, die Hand nicht reichen. Statt eines Jamaika-Schreckens ohne Ende wählte Lindner deshalb das Jamaika-Ende mit
Schrecken. Die FDP will sich, das ist neu in der Raute-Republik, nicht zu Merkels williger Mehrheitsbeschafferin hergeben. Der Versuch, die Liberalen dafür politisch zu kriminalisieren, wird
nicht verfangen.
Gescheiterte Koalitionsverhandlungen machen es für die SPD schwerer
Viel ungemütlicher, ja verzweifelt ist die Lage, in die durch das Jamaika-Chaos unversehens die SPD geraten ist. Die Schwüre, nie nie wieder mit Merkels Union regieren zu wollen, klingen
einigermaßen absurd aus dem Munde von Genossen, die bis zum heutigen Tag mit CDU und CSU einträchtig am Kabinettstisch sitzen – und die es geschafft haben, etwaige unüberbrückbare inhaltliche
Differenzen zu Merkels Christenunion, sollte es sie je gegeben haben, sorgsam für sich zu behalten. Andrea Nahles jedenfalls dürften die hämischen Schmähungen des schon sicher geglaubten
Jamaika-Bündnisses gestern im Halse stecken geblieben sein. Denn der Druck auf die SPD, sich ihrer staatspolitischen Verantwortung zu stellen, wird brutal sein.
Dafür sorgt allein schon das sozialdemokratische Staatsoberhaupt. Frank-Walter Steinmeier muss nun Wege aus der verfahrenen Situation aufzeigen. Am Ende könnte die neu erlangte Freiheit der
Sozialdemokraten auf die Entscheidung darüber zusammenschnurren, ob sie gleich wieder in eine Große Koalition (mit oder ohne Merkel) schlüpfen – oder erst nach einer Neuwahl. Die können die
Sozialdemokraten mitten im personellen Umbruch zwar eigentlich genauso wenig brauchen wie Merkels CDU oder gar Seehofers paralysierte CSU. Weil sich die SPD aber tief in ihren Schützengräben
verschanzt hat, kann es passieren, dass die Bürger im neuen Jahr doch nochmal an die Urnen gerufen werden. Die Bayern sogar zweimal. Der Kandidat für den Freistaat könnte dann Markus Söder
heißen. Und, wer weiß, der für Berlin – Horst Seehofer.
Kommentar zum Terror in Barcelona:
Erst Tränen - dann Taten
München, 19.8.2017 . London. Paris. Nizza. Berlin. Und jetzt: Barcelona: Der Terror schlägt nicht wahllos zu. Es sind die glamourösen Ikonen
westlicher Kultur und Lebensart, von der sich Islamisten auf perverse Art angezogen fühlen. Die katala-nische Schöne, Spaniens Stolz und Europas Liebling, war, so zynisch es klingt, das logische
nächste Anschlagsziel. Viele ahnten es – und doch konnte keiner das Leben jener 13 Menschen retten, die am Donnerstagnachmittag zur falschen Zeit an einem Ort waren, der sich doch so richtig
anfühlte: auf den Ramblas, dem pulsierenden Herz der lebenslustigen Mittelmeer-Metropole.
Das Schicksal der Stadt geht vielen Europäern, die Barcelona kennen- und lieben gelernt haben, nahe. Für sie fühlt es sich an, als habe der Terror vor ihrer
Haustüre zuge-schlagen.Und wieder mischen sich in die Tränen um die Opfer die unvermeidlichen Appelle: wachsam bleiben. Sich dem Terror nicht beugen. Unsere Freiheit verteidigen. All das ist
richtig. Und kann doch nur ein Teil der Antwort auf die Blutspur sein, die Mörder durch unser Leben legen. Der andere lautet: Wir müssen den Krieg gegen den Terror endlich mit der
Entschlossenheit führen, die nötig ist, um ihn am Ende zu gewinnen.
Spaniens Sicherheitsbehörden gelten seit dem Kampf gegen die baskische Eta als gut organisiert und schlagkräftig. Aber zur Wahrheit gehört leider auch, dass
Regierung, Behörden und Gesellschaft, was die islamistische Gefahr angeht, bis zum Anschlag auf den Atocha-Bahnhof in Madrid vor zehn Jahren zu sorglos waren: Der Staat hat aus falsch
verstandener Toleranz zugelassen, dass der neben den Ramblas gelegene Stadtteil „El Raval“ zu einem Tummelplatz für Kriminelle aus dem benachbarten Maghreb wurden, zu einer verlotterten
No-go-Area, vor deren nächtlichem Betreten Touristen in jedem Reiseführer gewarnt werden. Er hat zu lange geduldet, dass Hassprediger in den Moscheegemeinden zur Gewalt gegen die „Ungläubigen“
aufriefen, dass – gerade in Barcelona – blühende islamistische Biotope wuchern und gut vernetzte Zellen entstehen konnten. Doch statt den Verführern und ihrer Mordideologie den Kampf anzu-sagen,
bejammern jetzt dieselben Stimmen, die uns immer Toleranz für Intoleranz predigten, die schwierige soziale Herkunft der Täter, die doch zu nichts anderem führen könne als zu Terror.
Falsch! Wenn wir uns nicht selbst terrorisieren lassen wollen, müssen wir die Terroristen terrorisieren: indem wir sie in ihren Schlupfwinkeln in den
Moschee-gemeinden aufspüren. Hassprediger ausweisen. Imame aus Terrorpaten-Staaten wie Katar nicht mehr bei uns dulden. Gefährder in Vorbeugehaft nehmen, wo immer das möglich ist. Indem wir
muslimische Gemeinden auf den gemeinsamen Kampf gegen den Dschihadismus verpflichten. Was es braucht, sind Integrations-angebote. Aber dort, wo diese versagen, eben auch staatliche Repression und
hoher polizeilicher Ermittlungsdruck. In Deutschland mit seinen schnell wachsenden urbanen Problemvierteln hat sich diese Erkenntnis leider noch nicht in allen Bundesländern durchgesetzt, wie die
Erfahrungen aus den zurückliegenden Anschlägen zeigen. Berlin und Bremen verzichten bis heute generös auf Schleierfahnder. Ihre Sicherheitsapparate sind in einem Zustand, der jeder Beschreibung
spottet. Wir brauchen keine neuen Gesetze. Aber die konsequente Anwendung bestehender. Und mehr Geld und bessere Ausrüstung für die Polizei. Dann – und nur dann – muss uns im Kampf gegen den
Terror nicht bange sein.
Merkels Comeback, Spahns Aufstieg
Deutschland - ein anderes Land
München, 19. Juli 2017. - Kurz vor der Wahl erreicht die Kanzlerin wieder Spitzen-werte in der Beliebtheit. Doch die Parteiführung sollte daraus nicht die falschen Schlüsse
ziehen.
Der Unionskrieg um die Flüchtlings-Obergrenze, der erbittertste Machtkampf zwischen CDU und CSU seit der Titanenschlacht zwischen Kohl und Strauß, ist
entschieden. Und wie damals hat ihn auch diesmal die CSU verloren: Seehofers jüngste Volte, die Obergrenze zum „Ziel“, aber nicht mehr zur Bedingung für den Eintritt seiner Partei in eine
künftige Berliner Regierungskoalition zu erklären, ist nichts anderes als die Verkündung der bedingungslosen Kapitulation aus München.
Der furiose Wiederaufstieg der Kanzlerin in den Umfragen ließ Seehofer zuletzt keine andere Wahl mehr, als die Überlegenheit Merkels anzuerkennen. Die
thront in den Umfragen mittlerweile wieder dort, wo sie vor Ausbruch der Flüchtlingskrise war: ganz weit oben in lichten präsidialen Höhen, der Konkurrenz meilenweit entrückt. Es ist, als
erwache die Union aus einem bösen Traum. Allein: Der Ansturm der Flüchtlinge, Merkels Entscheidung, die Grenzen zu öffnen, die Entstehung der AfD – all das war kein Traum. Merkel steht
heute wieder da, wo sie vor zwei Jahren stand. Aber ihr Land ist ein anderes geworden. Dass sie es noch immer regiert und aller Voraussicht nach weiter regieren darf, verdankt sie nicht
ihrer Flüchtlingspolitik. Sondern deren stiller Korrektur. Und, natürlich, den Irrlichtern dieser Welt, den Trumps, Erdogans und Putins. Und der Schwäche der Opposition.
Noch immer gilt Merkel als alternativlos. Doch das trifft nicht mehr in gleicher Weise auf ihre Politik zu. Viele Menschen sehnen sich angesichts von
Gewalt-phänomenen, wie sie zuletzt auch in Schorndorf eine Rolle spielten, nach kultureller Identität, nach Rückbesinnung auf einen Staat, der Grenzen zieht. Der vor dem zugewanderten
Machismus nicht zurückweicht und auch nicht vor der Intoleranz jener, die (nur) für sich Toleranz einfordern. Der klarmacht, wohin die Integration der vielen neu hinzugekommenen Menschen
stattfinden soll: in eine europäische Leitkultur, die die Rechte von Frauen respektiert und Religion nicht über den Staat stellt. Wenn die Kanzlerin eines Tages ihren Platz frei macht,
wird nicht eine Gralshüterin des Merkelismus wie Ursula von der Leyen den Unions-Thron besteigen. Sondern einer wie Jens Spahn mit seinem Versprechen, der Union ihre konservativen Wurzeln
zurückzugeben.
Das neue Asylrecht - ein bisschen schärfer
Deutschland nimmt so viele Flüchtlinge auf wie alle 27 EU-Länder zusammen.
München 20.5.2017. Ob aus eigener Einsicht oder Angst vor dem Wähler: Zum wiederholten Mal verschärft die Berliner Koalition das Asylrecht. Ein
wenig. Grünen, Linken und den Sozialverbänden geht das zu weit. Jetzt drohe der „gläserne Flüchtling“.
Fünf Monate nach dem Berliner Attentat und vier Monate vor der Bundestagswahl sortiert die Große Koalition ihre Asylpolitik ein weiteres Mal neu. Die
Überschriften des am Donnerstag verabschiedeten Gesetzespakets lauten: Abschiebehaft, Fußfessel, Handy-Durchsuchung. Das sind zweifellos Eingriffe in Grundrechte, die der deutsche
Rechtsstaat auch Schutzsuchenden zubilligt. Aber es ist, mit Verlaub, nicht das „Sammelsurium flüchtlingsfeindlicher Schweinereien“, das die Linke beklagt. Und auch nicht der
„Generalverdacht gegen Flüchtlinge“, von dem Arbeiterwohlfahrt und Pro Asyl mal wieder schwadronieren.
Vielmehr ist der Staat, spät genug, aus Schaden klüger geworden. Er reagiert auf neue Gefährdungslagen ebenso wie auf ausgeklügelte Strategien der
Schleuser-industrie, das Asylrecht zu umgehen: Längst weiß jedes Kind, dass trotz abge- lehnten Asylbescheids nicht ausgewiesen werden kann, wer seine Papiere vor der Einreise weggeworfen
und falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, weil kein Land ihn zurücknimmt. Ein Staat, der zur Ermittlung der Herkunft von Einlass-begehrenden nicht auf alle verfügbaren Quellen
zur Identitätsprüfung zurück-griffe, und seien es Handydaten, handelte grob fahrlässig. Schließlich gibt es, was manche gern vergessen, nicht nur einen Schutzanspruch der neu Hinzukommen-
den – sondern auch der bereits hier Ansässigen. Das hat der Fall Amri quälend vor Augen geführt. Deutschland bietet Flüchtlingen Sicherheit, Kost und Logis und ein faires Verfahren. Die
Solidargemeinschaft darf im Gegenzug erwarten, dass Asylbewerber bereit sind, an der Feststellung ihrer Identität mitzuwirken. Das ist zumutbar und durchaus keine „Schweinerei“.
Festzuhalten ist: Merkelland bleibt auch nach der Gesetzesnovelle eines der offensten Länder der Welt; es nimmt alleine so viele Menschen auf wie fast alle
anderen 27 EU-Länder zusammen. Nicht schärfere Gesetze zerstören das Recht auf Asyl. Sondern eine Politik, die billigend in Kauf nimmt, dass sich der Rechts- staat hilflos an der Nase
herumführen lässt. In der Demokratie hängt am Ende alles an der Akzeptanz der Bürger. Dass viele sich für Musterdemokraten haltende Linke und Grüne das nicht begreifen, treibt nicht nur
Baden-Württembergs Landesvater zur Verzweiflung. Man könnte dafür auch ungnädigere Worte finden als Kretschmanns flehentlichen Appell an die grünen Parteifeunde, doch bitte endlich von
ihrem „gesinnungsethischen Überschuss“ zu lassen.
Reif für den Rücktritt
Das Problem heißt von der Leyen
München 16.5.2017. Die CSU beklagt von der Leyens „totales Unwerturteil“ über die Soldaten der deutschen Wehrmacht, die Bundeswehr beißt die Zähne
zusammen. Die Verteidigungsministerin ist nicht mehr tragbar.
Die Affäre um den rechtsradikalen Oberleutnant Franco A. entwickelt sich für die Bundesverteidigungsministerin immer mehr zum Albtraum: Inzwischen sagt sich
nicht nur die Truppe von ihrer Oberkommandierenden los. Auch SPD und CSU gehen auf größtmögliche Distanz zu Ursula von der Leyen. Die wollte den Skandal nutzen, um sich als
brutalstmögliche Aufklärerin zu profilieren. Jetzt kämpft sie selbst ums Überleben.
Es ist wie meist in solchen Fällen: Amt und Ansehen kostet nicht der Skandal selbst – sondern der falsche Umgang damit. Seit der Enttarnung des angeblichen
„Flüchtlings“ reiht die Ministerin Fehler an Fehler: Erst überspielte sie eigenes Führungsversagen, indem sie, die Inhaberin der obersten Befehlsgewalt, die ganze Schuld bei ihren
Untergebenen ablud. Dann zeichnete sie in grotesker Übertreibung der tatsächlichen Probleme das Bild einer braun unterwanderten Bundeswehr, um sich selbst als entschlossene Aufräumerin zu
inszenieren.
Zuletzt entfesselte sie einen Bildersturm gegen alle Wehrmachtsandenken in den Kasernen, dem – ohne Einspruch aus Berlin – sogar ein Porträt des späteren
Kanzlers Helmut Schmidt zum Opfer fiel. Als ob sich, da hat ihr Vorgänger Rudolf Scharping Recht, damit Versäumnisse im Umgang mit Rechtsradikalen ausmerzen ließen! Dafür sehen nun viele
Bundesbürger die Erinnerung an ihre Väter und Großväter beschmutzt, die von Hitler für einen verbrecherischen Krieg missbraucht wurden und auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges
ihr Leben ließen.
Eine erfahrene Ministerin hätte in der Lage sein müssen, den erforderlichen Kampf gegen Rechts zu führen, ohne dabei ein „totales Unwerturteil“ (so der
CSU-Abge-ordnete Hans-Peter Uhl) über Leben und Sterben von Millionen Wehrmachts-soldaten zu fällen. Ursula von der Leyen hat ein weiteres Mal bewiesen, dass sie ihrem Amt nicht gewachsen
ist.
Was nun, Herr Schulz?
Jetzt streitet die SPD über ihren Asyl-Kurs!
München, 7.2.2017. Am liebsten würde der neue SPD-Umfragekönig Martin Schulz bis zur Wahl im September über nichts anderes mehr reden als über „mehr
Gerechtigkeit für die arbeitende Mittelschicht“. Das ist ein wichtiges und von der Merkel-Seehofer-Union zuletzt in der Tat wenig beackertes Feld.
Doch dabei wird es nicht bleiben können: Ein Bundeskanzler (und einer, der es werden will) hat sich um mehr zu sorgen als um die Frage, wie er die
Einkommen seiner Bürger umverteilt. Er hat zu erklären, wie diese Einkommen in einer instabil gewordenen Welt dauerhaft erwirtschaftet und gesichert werden können. Und was er gegen
innere und äußere Bedrohungen zu tun gedenkt.
Der irrlichternde Trump, den Schulz zu Recht hart angeht, ist ja nur ein Problem – und vermutlich nicht mal das drängendste angesichts des anhaltenden
Ansturms hunderttausender Zuwanderer auf die Wohlstandsfestung Europa. Und des Versuchs Putins, nach Syrien nun auch noch die Flüchtlings-Drehscheibe Libyen unter seine Kontrolle zu
bringen. Von dort kamen 2016 rund 90% der 180 000 Afrika-Flüchtlinge nach Italien. Dass sich just zur selben Zeit, da die EU um einen Rücknahmepakt mit der Regierung in Tripolis
ringt, der Kreml-Chef immer unge- nierter in den Machtkampf zwischen Übergangsregierung und Rebellen einmischt, ist beunruhigend. Zöge er auch in Libyen die syrische Karte, könnte er
die EU von zwei Seiten in die Zange nehmen und nach Belieben am Flüchtlings-Hahn drehen.
Und die Le Pens, Petrys und Wilders würden mal wieder merci sagen. Angesichts dieser Gemengelage ist das aktuelle Stimmengewirr in der SPD irritierend:
Immer mehr von ihr regierte Bundesländer wollen die in der Großen Koalition verein-barten Abschiebungen nach Afghanistan wieder stoppen.
Gleichzeitig fordert SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, im Meer aufgegriffene Bootsflüchtlinge in libysche Aufnahmelager zurückzuschicken, wofür ihn
der frischgebackene Außenminister Sigmar Gabriel wiederum scharf zurechtweist. Merkel und Seehofer haben ihren Asylstreit fürs Erste beigelegt – in der zwischen ihren humanitären
Idealen und den Erwartungen ihrer Wähler zerrissenen SPD aber geht er gerade erst los. Denn es sind just die von ihr umworbenen hart arbeitenden kleinen Leute, die mit den Zuwanderern
um Jobs und Wohnungen konkurrieren. Was gilt denn nun, Herr Schulz?
Asyl-Diskussion - unkontrollierte Einreisen
CSU hat sich in der Asylpolitik auf ganzer Front durchgesetzt
München, 10.1.2017. Hören wir recht? Für Bundesjustizminister Heiko Maas ist der Einsatz der elektronischen Fußfessel für islamistische Gefährder
plötzlich „kein Tabu“ mehr – und das bereits vor einer gerichtlichen Verurteilung.
Wer aus Deutschland ausreisen muss, aber das nicht kann, weil ihn sein Herkunftsland (wohl aus guten Gründen) nicht zurücknimmt, den will der SPD-Mann künftig
umstandslos in Abschiebehaft stecken. Und die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sattelt noch eins drauf, indem sie eine nachträgliche Sicherheitsüberprüfung aller seit 2015
unkontrolliert eingereisten Flüchtlinge verlangt. Und keine andere Grüne, nicht mal Simone Peter, ruft mehr „Generalverdacht“.
Der Terror von Berlin hat die Willkommens-Linke hart aus ihrem rosaroten Wolkenkuckucksheim gerissen. Sie versucht im Wahljahr nun hektisch ihre Felle zu retten
und räumt Hals über Kopf Positionen, die schon lange nur noch mit Dogmatik und nichts mehr mit Vernunft und wehrhafter Demokratie zu tun hatten. Und die CSU kommt aus dem Staunen nicht mehr
heraus: Fast jeden ihrer Wünsche, von denen es vor Kurzem noch hieß, sie stammten direkt aus der Folterkammer der bayerischen Menschenfeinde, lesen ihr CDU, SPD und Grüne nun von den Augen ab.
Sogar Merkels Innenminister de Maizière gibt jetzt in Sachen innere Sicherheit den harten Hund, der er in Wahrheit niemals war – eher Merkels Pudel. Die Seehofer-CSU stellt das vor eine
strategische Wahl: Folgt sie weiter ihrer Strategie, jedes Einlenken der CDU sofort mit noch schärferen Forderungen zu kontern, um der AfD nach rechts nachzusetzen und Merkel vor sich
herzutreiben? Oder nutzt sie die wohl letzte Gelegenheit zur Versöhnung mit der Schwester?
Tatsächlich hat sich Horst Seehofer in der Asylpolitik, sieht man von der – eher symbolischen – Obergrenze ab, auf ganzer Front durchgesetzt. Er ist jetzt in der
komfortablen Lage, diesen Sieg öffentlich für sich zu proklamieren, das Bundesinnenministerium nach der Bundestagswahl für Joachim Herrmann einzufordern (damit sich die Vernunft künftig nicht
wieder so quälend langsam durchsetzt) und Frieden mit der Kanzlerin zu schließen. Tut er’s nicht, wird es schwer, den Wählern zu erklären, warum er Merkel im Herbst doch wieder zur Kanzlerin
wählen lässt.
ARD unterschlägt Freiburger Mord
Das fatale Schweigen der „Tagesschau“
München, 6.12.2016. In immer gewundeneren Worten versuchen die Verantwort-lichen der „Tagesschau“ ihr Schweigen zum Mord an einer 19-jährigen Freiburgerin
durch einen afghanischen Flüchtling zu rechtfertigen. Die hilflosen Versuche machen das Versagen vollends zum Skandal.
So sollte sich keiner wundern, wenn jene Zulauf erhalten, die die ganze Medienbranche mit bösartigen und in ihrer Pauschalität ungerechten „Lügenpresse-Vorwürfen
überziehen. Ja: Der Mord von Freiburg wird, zum Schaden vieler Unbescholtener, die Flüchtlingsdebatte
weiter anheizen. Einfach nicht darüber zu berichten ist aber der denkbar falscheste Beitrag zur Versachlichung. Zum Glück haben das, offenbar mit Ausnahme des Gebühren-Fern- sehens, die
allermeisten Medien seit den Vorkommnissen von Köln gelernt. Man wüsste gerne, was nach dem Eklat um Anne Wills Dauerwerbesendung für eine Burka-Dschi-hadistin der Rundfunkrat zur neuesten
Fehlleistung aus dem Hause NDR zu sagen hat.
Berlin unter Schock: Merkels ärgster Kritiker regiert Amerika
München, 10.11.2016. Für Berlin sind mit der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten die schlimmsten Albträume wahr geworden. In der Flüchtlingspolitik
verliert die Kanzlerin einen ihrer letzten Partner.
Uncharmanter hat noch keine Bundesregierung einem US-Präsidenten zur Wahl gratuliert. Sie stehe unter „schwerem Schock“, bekannte Verteidigungsministerin Ursula von
der Leyen gestern im Frühstücksfernsehen. Das war, was schwer zu schaffen ist, noch ein bisschen dümmer als jüngst der öffentliche Seelen-Striptease von Außenminister Steinmeier, ihm werde bei
Trump „bange, was aus dieser Welt wird“. Wahlempfehlungen von außen werden in den USA wenig geschätzt. Ob es dem Berliner Politik-Betrieb nun passt oder nicht: Man wird mit diesem von den
amerikanischen Bürgern gewählten Präsidenten zusammenarbeiten müssen – und sollte daher alles unterlassen, was das Verhältnis zur wichtigsten Partnernation noch weiter belastet. Wenn die
Bundesregierung künftig alle Verbündeten, die sich für einen anderen politischen Weg entscheiden als Deutschland, mit derselben Häme überschütten will wie nach dem Brexit die alten Freunde in
London, könnte es bald recht einsam werden um die Kanzlerin.
Wobei Berlin allen Grund hat, unter Schock zu stehen: Mit ins Zentrum seines Wahlkampfs hatte Donald Trump seine Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik gerückt. Sie
gipfelte in dem Satz, Hillary Clinton wolle „Amerikas Angela Merkel“ sein. Das war nicht nett, aber wie schon in der Brexit-Debatte überaus wirksam. Man mag beklagen, dass mit dem Trumpismus die
Emotionen über den politischen Verstand und die Vulgarität über den argumentativen Diskurs siegten. Aber wenn die etablierten deutschen Parteien ein bisschen aufmerksamer in ihr Volk
hineinhorchen würden, könnten sie hier zu ihrem grenzenlosen Erstaunen die gleichen Hilferufe wie in Amerika vernehmen: Hilfe vor Jobverlust und sozialem Abstieg, vor Kulturverlust und
Überfremdung.
Trump hat seinen Wählern Schutzzonen versprochen. In denen sollen sie sich etwas sicherer fühlen vor den eisigen Stürmen der Globalisierung und der viel gepriesenen
Digitalisierung. Diese beschert den hippen Städtern in den Glitzermetropolen und den Bankern an Wall Street Traumgehälter, vielen Bewohnern der „Main Street“ aber Rationalisierung und Jobverlust.
Der globalen Entgrenztheit setzt Trump Grenzen entgegen – und keinen „humanitären Imperativ“. Zwar ist längst nicht klar, ob und wie der Mann seine vollmundigen Versprechen erfüllen kann. Aber
klar ist, dass seine Antworten auf manche Fragen unserer Zeit bemerkenswert anders (und zugkräftiger) sind als jene, die in Berlin und Brüssel gegeben werden. Der Brexit konnte von einer
Allparteienkoalition von Grün über Rot bis zu Merkel-Schwarz noch als Betriebsunfall abgetan werden. Trumps Sieg aber ist „too big to ignore“. Die nächsten Dominosteine könnten schon bald in
Kerneuropa fallen.
Wirtschaftsweise kritisieren Regierung - Ertappte Sünder
München, 2. 11.2016 - „Enttäuschend“ finden die Wirtschaftsweisen die Wirtschafts- politik der Großen Koalition. Die Reaktionen der Kanzlerin und ihres
Wirtschafts-ministers fallen ziemlich schmallippig aus. Kritik hört man bei Hofe nicht gern.
Wer seit elf Jahren unangefochten regiert und weltweit Huldigungen entgegen-nimmt, mag sich Widerworte nur noch ungern anhören – ob sie nun aus München kommen oder
sonst woher. Dennoch wäre die Kanzlerin gut beraten gewesen, wenn sie weniger schnippisch auf die Kritik der Wirtschaftsweisen reagiert hätte. Denn die Professoren haben schlicht Recht. Ihr
Jahresgutachten stellt einer nur noch mit sich selbst und dem Asylstreit beschäftigten Großen Koalition das verdiente miserable Zeugnis aus.
Wohin man auch blickt: Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist auf erschreckende Weise frei von Ehrgeiz, und das seit Jahren. Das ging los mit teuren
Wahlgeschenken wie der unsinnigen und folgenschweren Rente mit 63, fand seine Fortsetzung in einer unsäglichen Reform der Erbschaftsteuer für Unternehmer, die in Wahrheit ein Beglückungsprogramm
für Multimillionäre ist, und gipfelt in einer Investitionspolitik, die die deutsche Infrastruktur seit Jahren verrotten lässt. Von der oft versprochenen, aber nie umgesetzten Entlastung der
Normalverdiener ganz zu schweigen.
Das alles klar zu benennen, ist keine Majestätsbeleidigung. Das indignierte Gehabe der Regierungsspitzen soll nur darüber hinwegtäuschen, dass sie ertappte Sünder
sind. Da hilft auch die nassforsche Entgegnung des Wirtschafts-ministers nicht, dem Standort Deutschland gehe es doch gut. Das stimmt zwar (noch), hat aber viel mit Schröders Agenda und wenig mit
Merkels und Gabriels Laissez faire zu tun: Beide ernten die vergifteten Früchte von Draghis Nullzins-politik, die den Staat reich macht und die Sparer arm. Billiges Notenbank-Geld und
Milliardenausgaben für Flüchtlinge befeuern einen künstlichen Nachfrageboom, der die Wirtschaft am Laufen hält – allerdings nur bis zu dem Tag, da die EZB- Party vorbei ist und die Regierenden
von Rom und Paris bis nach Berlin feststellen, dass sie nichts, aber auch gar nichts für die Stärkung ihrer Ökonomien im globalen Wettbewerb getan und sich stattdessen auf Draghis Minuszinsen
ausgeruht haben. Das wird der Tag sein, da die Schuldenkrise zurückkehrt, böser und gefährlicher als je zuvor. Wenn Merkel großes Glück hat, wird sie dann nicht mehr Kanzlerin sein.
Türkei als Terrorpate eingestuft
Berlin, Ankara und ein „Büroversehen“!
München, 19. August 2016 - Seit der Panne im Bundesinnenministerium, die eine vertrauliche Einstufung der Türkei als Terrorpaten öffentlich machte, windet sich
die Bundesregierung. Das Fiasko ist perfekt.
Seitdem das Bundesinnenministerium die Türkei durch ein „Büroversehen“ offiziös als Terrorpaten klassifiziert hat, dreht und windet sich die Bundesregierung –
zwischen außenpolitischer Schadensbegrenzung und dem Erfordernis, die Bürger nicht allzu schamlos über das nun mal nicht zu Leugnende zu belügen. Die Lage ist prekär, weil Erdogans Treiben gegen
die Zivilgesellschaft, der Krieg gegen die Kurden und sein Flirt mit den Terroristen die wertegebundene Politik der Kanzlerin mit Blick auf den Flüchtlingspakt Stück für Stück in den moralischen
Bankrott treibt.
Nachdem die Wahrheit nun also „versehentlich“ ins Licht der Öffentlichkeit stolperte, ist das Fiasko perfekt: Die Opposition in Berlin zetert, der Sultan in Ankara
ebenso, und zwischen Deutschen und Türken baut sich eine Wutwelle auf, die mehr fortreißen könnte, als beiden Ländern lieb sein kann. Denn für die Türkei bleibt Europa der Schlüsselpartner; einen
weiteren Einbruch von Handel und Tourismus kann sie nicht wollen. Umgekehrt braucht Europa wegen der überra- genden geostrategischen Bedeutung der Türkei, vor allem ihrer Funktion als Transitland
für Flüchtlinge, auskömmliche Beziehungen zu Ankara. Erdogan in ein Bündnis mit Moskau zu treiben wäre gefährlich.
Die EU muss ihre Illusionen begraben: Als gelehriger Schüler Putins wird Erdogan stets so weit gehen, wie Europa es ihm erlaubt. Der Sultan spürt die Schwäche
Berlins und Brüssels. Der Versuch, diese Schwäche durch lautstarke Belehrungen an die Adresse Ankaras zu übertünchen, muss schiefgehen, weil Erdogan diese als Schwungrad nutzt, um die Massen noch
mehr für seine national-religiöse Bewegung zu mobilisieren. Gefragt ist daher Mäßigung im Ton, aber Stärke im Handeln. Erst wenn die EU klarmacht, dass sie die Sicherung ihrer Außengrenzen selbst
anpackt, statt sie an die Hohe Pforte zu delegieren, sinkt Erdogans Erpressungspotenzial. Die Milliarden, die Europa als EU-Heranführungshilfen nach Ankara überweist, wären dort allemal besser
angelegt. Was der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio über Deutschland sagt, gilt abgewandelt auch für das Staatenbündnis Europa: „Ein offener Staat, der die Disposition über seine Grenzen
aufgibt, mag offen sein, wird aber kein Staat bleiben können.“
Bluttat von London: Politisch korrekt in die Tasche lügen
Münchner Merkur, 5.8.2016 - Das Blut der Messerattentats-Opfer von London war noch nicht getrocknet, da hatten die Behörden schon die vermeintlich gute
Nachricht zur Hand: Der somalisch-stämmige Täter sei kein Terrorist, sondern nur psychisch verwirrt.
"Mal abgesehen davon, dass das die Tote von London nicht mehr lebendig macht: Auch den Tätern von Orlando, Nizza und Ansbach wurde per Blitzdiagnose attestiert, sie seien „labil“ gewesen. Aber sind das nicht
andere auch, die dennoch nicht gleich auf die Straße rennen und Unschuldige töten?
Wir machen es uns zu leicht, wenn wir jetzt zur Beruhigung der Öffentlichkeit dazu übergehen, religiös inspirierte Morde zu psychologischen Krankheitsbildern
umzudeuten, und so tun, als sei es Zufall, dass die Täter in unschöner Regelmäßigkeit Muslime sind. Es stimmt ja: Wer „labil“ ist, ist empfänglich. Aber die Ideen, die da empfangen werden, die
liefert zuverlässig die dschihadistische Ideologie. Im sunnitischen Somalia, woher der Londoner Täter stammt, ist der Islamismus tief verwurzelt. Auch bei den Tätern von Würzburg und Ansbach hieß
es hastig, sie seien „blitzradikalisiert“ oder psychisch anfällig gewesen, also in irgendeiner Weise irre. Doch jüngste Ermittlungsergebnisse zeigen, dass beide von Dritten geführt wurden. Das
gern bemühte Beschwichtigung-Doppelmuster „Einzeltäter“ und „Wahnsinn“ stößt hier an seine Grenzen.
Eine Attentäterpsychologie, die den Fokus am liebsten auf Verrücktheit legt, macht sich verdächtig, in Wahrheit nur islamistische Motive beschweigen zu wollen. Aber
es gibt nicht den geringsten Grund, uns am Ende sicherer zu fühlen, nur weil wir uns politisch korrekt in die Tasche lügen."