Ist das noch unser Deutschland?


von Ralf Schuler Online-Plattform "NiUS" 18. Sept. 2024

 

Ein weißer Elefant ist ein niedliches Kleintier gegen die Dimension, die das unausgesprochene Thema der aktuellen Migrationsdebatten inzwischen angenommen hat: Fremdheit. Was bleibt übrig von Deutschland, wenn es mit der Migration so weitergeht, lautet die Frage, die bei vielen bewusst oder unbewusst mitschwingt, und die von der Politik parteiübergreifend umtänzelt wird, als sei ein weißer Dinosaurier mitten in Raum.

Kanzler und Bundesinnenministerin schließen derzeit Migrationsabkommen mit Ländern wie Kenia oder Usbekistan, stellen die Rücknahme illegaler Migranten im unteren dreistelligen Bereich in Aussicht und kündigen „legale Migration“ nach Deutschland aus den betreffenden Ländern an, die um ein Vielfaches die Zahl der Zurückgeführten übersteigt. Bei „Caren Miosga“ erklärt der Migrationsforscher Gerald Knaus ausführlich, warum eine Begrenzung der Zuwanderung an den deutschen Grenzen nicht gehe und an den EU-Außengrenzen erfolgen müsse, was bekanntlich seit Jahren nicht funktioniert. „Unser Wohlstand wäre ohne Zuwanderung nicht denkbar“, sagt Kanzler Olaf Scholz beim Wahlkampfauftritt am Samstag in Prenzlau (Uckermark). „Deshalb wird es ohne Zuwanderung nicht gehen. Wenn man einfach sagt: Wir wollen niemanden haben, dann geht unser Land unter.“

Muslimische Ingenieurinnen mit Kopftuch? Was er nicht sagt: Deutschland wird sich massiv verändern, wenn wir weiter die Strategie verfolgen, unsere demografischen Lücken aus fernen Ländern aufzufüllen. Als sich Jenoptik-Chef Stefan Traeger unlängst im „Handelsblatt“ beschwerte, wie schwer es sei „muslimische Ingenieurinnen mit Kopftuch nach Thüringen zu holen“, war das nicht nur ein Brüller, weil „muslimische Ingenieurinnen mit Kopftuch“ nun wirklich das Wunschbild deutscher Multikulturalisten ist, sondern er hätte auch darauf hinweisen müssen, dass diese Politik den Charakter Thüringens verändern wird. Manche wollen das, andere nicht. Beides ist legal und zulässig.

Es ist deshalb um so bemerkenswerter, dass Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder als einziger Top-Politiker ausspricht, was alle anderen sehen, aber nicht thematisieren wollen: „Die Sache wächst uns über den Kopf, und zwar nicht nur logistisch. In vielen deutschen Vorstädten fühlt sich der eine oder andere gar nicht mehr daheim, ist nicht mehr ganz sicher, in welchem Land er eigentlich lebt“, sagte er beim alljährlichen Gillamoos-Fest und wiederholte es im ZDF. „Und deswegen muss sich das wieder ändern. Wir helfen gern, aber das ist unser Land, meine Damen und Herren! Unser Land muss von uns geprägt und geführt werden!“

Öffentlich diskutiert wird das Thema Fremdheit im eigenen Land zumindest offiziell nicht. Das ist kein Wunder, zeigte sich doch etwa die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), „fassungslos“ über Söders Bemerkungen und warf ihm vor „rechtspopulistische Narrative“ zu bedienen. Die Unterscheidung in Deutsche und Nicht-Deutsche sei fragwürdig. In der realen Welt wird es diese Unterscheidung immer geben. Einbürgerung hin oder her.

"Klein-Damaskus" in Deutschland?  Selbst unter Bundespolitikern sagen einem viele, dass vor allem Frauen immer öfter öffentliche Plätze meiden, weil sie sich inmitten von Gruppen lungernder arabischer Männer unwohl fühlen. „Unser Marktplatz heißt intern nur noch ,Klein-Damaskus‘“, sagt ein CDU-Bundestagsabgeordneter unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Öffentlich würde sowas niemand thematisieren. Deutschland ist längst zum Land der gesenkten Stimme geworden, wenn es um heikle politische Themen geht.

Der Publizist Harald Martenstein beschreibt in der „Welt am Sonntag“ eine Szene am Einlass eines Freibads in Berlin Wilmersdorf, wo er nach einem verlorenen Tag mit verspäteten und ganz ausfallenden Zügen mit seinem Sohn den lange versprochenen Besuch nachholen wollte:„Am Nachmittag stand ich endlich mit meinem Sohn in der langen Schlange vorm Freibad Wilmersdorf. In den letzten Sommern waren wir da hin und wieder. Weil man hört, dass in den Freibädern inzwischen viel gestohlen wird, hatte ich nur etwas Bargeld dabei und die Brieftasche mit Ausweis und Kreditkarte zu Hause gelassen. Als wir an der Kasse ankamen, gab es dort eine Taschenkontrolle. Der Security-Mann verlangte meinen Ausweis.

Ich wusste nur, dass in Neukölln jeder den Personalausweis zeigen muss, wegen der Gewaltexzesse in dem Freibad dort – wieso es dagegen helfen soll, den Ausweis zu zeigen, begreife ich nicht, die Identität der Leute wird ja nicht registriert. Inzwischen muss man sich in Berlin jedenfalls überall ausweisen, um schwimmen gehen zu dürfen.

Statt der Grenzen kontrollierten sie die Schwimmbadeingänge. Der Security-Mann sagte: ,Ihr kommt hier nicht rein.‘ In der Schlange standen etliche Frauen und Mädchen mit Hidschab. Leute wie mein Sohn und ich waren in der Schlange selten. Das Gefühl, fremd zu sein, kennen viele Migranten. Es ist aber, glaube ich, etwas anderes, dieses Gefühl in dem Land zu spüren, in dem man aufgewachsen ist und sich auszukennen glaubte.

Ich hatte mit dem Gefühl, ein Fremder zu sein, jedenfalls nie ein Problem, bis ich es in Deutschland hatte. Anderswo ist klar, dass man sich anpasst, zu Hause erwartet man es von den anderen, das wird immer so sein.“Ob der Security-Mann, wie so oft, einen Migrationshintergrund hatte, sagt Martenstein nicht. Während der Corona-Zeit geriet ich regelmäßig mit einem migrantischen Wachmann vor der Berliner Charité aneinander, der die Patienten fragen sollte, wohin sie wollen, welchen Arzt sie konsultieren würden und ob sie einen Termin hatten. Nicht die Herkunft störte mich dabei, sondern dass jemand privateste Informationen über meinen Gesundheitszustand abfragen wollte, die beim Arzt der Schweigepflicht unterliegen. Dass dies in gebrochenem Deutsch und mit sehr autoritärer Attitüde geschah, machte die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Eher hätte ich auf den Arztbesuch verzichtet.

Fremd im eignen Land. Viele Menschen in Deutschland hätten das Gefühl, sagte Alt-Bundespräsident Joachim Gauck im Oktober 2023 bei „Maybrit Illner“: „Ich bin nicht mehr dort zu Hause, wo ich wohne. Mein eigenes Umfeld wird mir fremd.“ Rund ein Drittel der Deutschen haben bereits jetzt eine „Migrationsgeschichte“, sagte Olaf Scholz beim Auftritt am Wochenende in der Prenzlauer Marienkirche. Zur Ehrlichkeit der Debatte gehört es, darüber zu sprechen, dass der Migrantenanteil weiter steigt, wenn die Migrationspolitik so weiterläuft. Wirtschaftsunternehmen interessiert das nicht. Sie suchen Arbeitskräfte und kümmern sich meist nicht um die sozialen Folgekosten.

Die Vorstellung, dass im Deutschland der Zukunft zwischen historischen Fachwerk- und Reetdachhäusern, zwischen Kyffhäuser und „Zeche Zollverein“ mehrheitlich Menschen leben, die gewissermaßen seitwärts in unsere Geschichte eingetreten sind und deren Familiengeschichte tief in der islamischen, arabischen, kaukasischen oder afrikanischen Welt wurzelt, die ihre Herkunft natürlich genauso pflegen, wie wir unsere Geschichte, diese Vorstellung muss nicht jedem gefallen oder heimelig erscheinen. Deutschland als bauliche Kulisse einer untergegangenen Zeit. Das ist Ihnen zu dramatisch? Wird schon nicht, meinen Sie? Mag sein. Dann kann man es ja auch offen und unbefangen diskutieren und muss nicht mit verkniffenen Lippen drum herumschleichen. Finde ich.